Rezension in der Schweizer Musikzeitung, Nr. 10 (Oktober
2003):
Karin Pausmeier: Der Punkt in der Musik. Signa
– Beiträge zur Signographie, Heft 4. Grimma: Edition
Waechterpappel 2002. ISBN 3-933629-08-X. €7.90.
Ein Punkt ist Begriff und Form zugleich, sowohl Zeichen als auch
Moment - stets jedoch kontextgebunden. Das klingt für den einen
vielleicht ebenso philosophisch wie für den anderen nichts
sagend, erhellt sich aber in der konkreten Situation, wenn man sich
einen Punkt oder besser die vielen verschiedenen Arten von Punkten
in der Musiknotation vorstellt. Seine immense Bedeutung ermisst
sich immer dann, wenn der Punkt dort fehlt, wo er unbedingt hingehörte.
In einem Gang durch die Musikgeschichte bietet Karin Paulsmeier,
langjährige Lehrerin für Notationskunde an der Schola
Cantorum Basiliensis, einen faszinierenden Einblick in die Welt
musikalischer Punkte: Der Punkt als (Einzel-)Note bei mittelalterlichen
Neumenschriften, als Brevis in der französischen Notation des
13. Jahrhunderts, als Kontrapunkt und als Kennzeichnung von rhythmischen
Werten, als Artikulationszeichen, in Tabulaturen, in mikrotonaler
Musik und mehr. Ein spezielles Vorwissen ist für eine anregende
Lektüre nicht nötig; wer etwa im vorherigen Satz über
«Neume» oder «Brevis» gestolpert sein sollte,
hätte in der Schrift von Karin Paulsmeier sofort eine Erläuterung
gefunden. Klug ausgewählte und grafisch gut aufbereitete Beispiele
aus originalen Notenbildern veranschaulichen den jeweiligen Sachverhalt.
Dabei wird deutlich, dass die Notenschrift die musikalischen Entwicklungen
der jeweiligen Zeit spiegelt. Der Autorin gelingt es, dies buchstäblich
auf den Punkt zu bringen.
Ein zweiter Beitrag («Über die Darstellung von Schlüssen
in der Musiknotation») ist eine Sammlung zur grafischen Gestaltung
von Schlüssen, ein bildliches Florilegium. Karin Paulsmeier
schlägt dafür den Ausdruck «Finiale» vor,
als «kleine Schwester der Initiale». Analog zu den Punkten
in sprachlichen Sätzen entwickelte sich die Markierung von
Abschnittsenden zu einer Spielwiese der Notenschreiber bzw. –stecher.
Die reich bebilderte Schrift ist typografisch auffallend sorgfältig
gestaltet. Sie ist all denjenigen zu empfehlen, die Interesse und
Vergnügen an Grafik und auch musikalischer Notation als Grafik
haben und nebenbei musikhistorische Kenntnisse einheimsen wollen.
Martin Kirnbauer